Hans-Geert Metzger: Die Angst der Väter vor der frühen Kindheit

Die scheinbare Eindeutigkeit der Rolle des Vaters ist verloren gegangen. Die Tendenz zur Auflösung gesellschaftlich bindender Traditionen hat die klassisch patriarchale Vaterrolle in den Hintergrund gerückt. Manche Männer wollen ihre Rolle als Vater verändern, indem sie einen intensiveren Umgang mit ihren Kindern suchen. Andere verweigern sich ganz der Vaterrolle. Die zunehmend freie Entscheidung zur Elternschaft hat auch zum "Zeugungsstreik" geführt. Während traditionell die Entscheidung eines Ehepaares für Kinder eine transgenerationale Selbstverständlichkeit war, scheint heute der Kinderwunsch sich erst gegen Wünsche nach unabhängiger Selbstverwirklichung durchsetzen zu müssen. Das Vaterwerden ergibt sich nicht mehr aus kulturell tradierten Normen, es ist zu einem individuellen Entscheidungsprozeß geworden. Bestimmt aber diese persönliche Entscheidung den Kinderwunsch, so prägen die Einstellung und die dahinter verborgenen Ängste eines Mannes sein Handeln.

In einer aktuellen Umfrage geben 26% aller jungen Männer an, keine Kinder haben zu wollen. Ein junger Mann drückt in einem Leserbrief seine Ablehnung pointiert aus:
"Die Vorstellung, ein Leben lang für jemanden sorgen zu müssen, hat bei mir die reine Panik ausgelöst. Warum sollte ich als Mann einer Frau, die ihren Kinderwunsch erfüllt sehen will, ein Leben lang das Kind alimentieren?"
Dieser Mann hat offenbar keinen eigenen Kinderwunsch. Er sieht sich nur in einem Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnis. Seine Abwehr geht so weit, daß er eine wichtige persönliche Erfahrung für sich ausschließt - er will nicht Vater werden. Offenbar verstellen die Ängste jeden Wunsch nach einem Kind.

Andere Männer sind offener, auch wenn der Kinderwunsch von großen Ängsten begleitet wird. Einer meiner Patienten erwartete gemeinsam mit seiner Partnerin ein Kind. Er tat sich schwer mit der Vorstellung, Vater zu werden, und wehrte sich heftig gegen seine neue Rolle. Seine Abwehr ging so weit, daß er sich während der Schwangerschaft weg von seiner Partnerin und auf eine südliche Insel wünschte. "Für wie lange", fragte ich. Er antwortete: "Bis das Kind so groß ist, daß man halbwegs vernünftig mit ihm sprechen kann".

Er hatte offenbar Angst vor dem Zusammensein mit einem kleinen Baby, vor der Erfahrung der präverbalen Zeit mit einem Kind. Um neue Erfahrungen zulassen zu können, müssen aber alte Sicherheiten aufgegeben werden. Ein Vater, der sich, anders als im traditionellen Verständnis, an der Versorgung und am kindlichen Spiel beteiligt, überläßt sich einer regressiven Bewegung, die mit der alltäglichen Realitätsbewältigung ausbalanciert werden muß. Dafür kommt er in der Begegnung mit dem Kind mit seiner eigenen inneren Welt in Kontakt. Es tauchen Erinnerungen, Gefühle und Bilder der eigenen Kindheit auf, die oft lange verdrängt waren und jetzt zu einer bereichernden Erfahrung werden können. Altes wird aktualisiert und Neues kann erprobt werden.
Indem Väter an dem Erleben ihres Kindes teilhaben, an seiner Lust, die Welt zu erfahren und sie sich spielerisch anzueignen, finden sie auch Kontakt zu verdrängten eigenen frühkindlichen Anteilen: im Zusammensein mit dem Kind begegnen sie sich selbst, ihrer eigenen Geschichte, ihrer Erfahrung mit den eigenen Eltern und sie erleben in der Regel diese Selbsterfahrung als eine Bereicherung für ihr Leben.

Wer sich auf ein Kind in den ersten Lebensjahren einläßt, findet sich auf dem Boden wieder. Er gibt eine Position auf, die er erst im Laufe seiner eigenen Kindheit erworben hat. Vom Boden aus gesehen sieht die Welt anders aus. Ein Vater, der z.B. den ganzen Tag zu Hause bleiben würde, während seine Frau arbeiten geht, wickelt und füttert das Kind. Er liest ihm vielleicht ein Bilderbuch vor oder die beiden sitzen auf dem Boden und spielen mit Bauernhof und Traktor oder mit Puppen und Kinderwagen. In Ein- oder Zweiwortsätzen beginnt eine noch rudimentäre sprachliche Kommunikation, bei der der Vater darauf angewiesen ist, vieles zu erraten, was sein Kind ihm mitteilen will. Er geht im Verlauf des Tages vielleicht mit seinem Kind auf einen Spielplatz oder in einen Supermarkt. Dort wird er überwiegend Mütter oder Großmütter mit Kindern treffen.

Stellen Sie sich vor, der Vater kommt schließlich gegen Mittag wieder mit seinem Kind nach Hause und beginnt, das Mittagessen vorzubereiten. Ein Freund ruft ihn an. Vielleicht ist es ein Arzt, der in seiner Praxis im Laufe des Vormittags etwa 30 Patienten gesehen hat, oder ein Rechtsanwalt, der mehrere Schriftsätze bearbeitet hat. 
Was könnte der Vater von seinem Vormittag erzählen? Im Vergleich zu seinem Freund war er ziemlich unproduktiv. Er hat sich mehr oder weniger außerhalb des gesellschaftlich anerkannten Alltags bewegt. Vielleicht hat er einen engen Kontakt mit seinem Kind gehabt und er hat sich an dessen Lebenslust und Neugier gefreut. Aber er wird dies kaum einem Dritten, der an seinem Arbeitsplatz sitzt und schon an den nächsten Termin denkt, kommunizieren können.

Ich kontrastiere diese Lebenswelten, um mögliche Konfliktbereiche aufzuzeigen. Der Vater hat keinen Termin. Er verzichtet auf die Anerkennung, die er durch seine berufliche Tätigkeit erfährt. Er hat sich weitgehend auf die Zeitvorstellungen des Kindes eingelassen. Die Zeit repräsentiert in der Regel die äußere Realität. Das Zusammensein mit einem Kind dagegen hat ein anderes Zeitmaß, es gilt der unmittelbare Augenblick. Diskursive und abstrahierende Prozesse sind außer Kraft gesetzt, symbolische Bedeutungen sind weitgehend zurückgedrängt. Die Verständigung findet nur rudimentär im sprachlichen Bereich statt. Die vorsprachliche Kommunikation überwiegt. Der Über-Ich-Bereich mit seinen Kontrollen, Normen und Orientierungen ist noch nicht in Kraft gesetzt, was an den Vorstellungen der Erwachsenen rütteln und möglicherweise eigene kindliche Anteile wecken könnte. Insgesamt gesehen treten spielerische, lustbetonte Prozesse und archaische Affekte in den Vordergrund. Der Vater - wie natürlich auch die Mutter - müßte sich einer partiellen Regression überlassen und trotzdem gleichzeitig eine erwachsene Identität behalten können. Dadurch entsteht eine Spannung zwischen äußerer Realität und infantiler Welt, die nicht immer leicht zu ertragen ist und durchaus zu einem Konflikt und zu Abwehrprozessen führen kann.

Die Erfahrungen mit einem Kind verändern das Leben der Eltern. Ein Kind bringt die innere Ordnung des Erwachsenen durcheinander. Das Gleichgewicht der Befriedigungen, die der Vater für sich und mit seiner Partnerin gefunden hat, wird partiell außer Kraft gesetzt. Die eigene Toleranz und die Belastbarkeit des Paares werden auf die Probe gestellt. "Dinosaurier, Vulkane, Legoburgen, Märchen und Riesen wurden mir zur lustvollen Beschäftigung, so als sei es das erste Mal in meinem Leben" schreibt ein Vater. Der Erwachsene kommt in Situationen, in die er ohne ein Kind vermutlich kaum kommen würde und in denen er sich selbst anders erlebt.

Die Begegnung mit dem Kind gelingt, wenn eine situative Identifikation mit dem kindlichen Erleben möglich ist. Dabei kommt der Vater (und die Mutter) nicht nur mit beglückenden Momenten der eigenen Kindheit in Kontakt, sondern auch mit ungelösten Konflikten, die bislang vielleicht kompensiert waren, aber in der Begegnung mit dem Kind aktualisiert werden und dadurch zu einer inneren Belastung führen können. In den Vätern werden z.B. unerfüllte Wünsche an den eigenen Vater wach. Schmerzliche Enttäuschungen oder ungelöste Beziehungskonflikte mit der Mutter tauchen auf, die zu Unsicherheiten über die Fähigkeit zur eigenen Vaterschaft führen können. Die ungelösten Beziehungskonflikte aus der eigenen Herkunftsfamilie und ihre inneren Repräsentanzen beeinflussen schließlich nicht nur die Interaktion mit dem Kind, sondern sie können auch unerkannt die elterliche Beziehung belasten.

Durch Eheschließung und Vaterschaft engen sich die Fluchtmöglichkeiten ein. Man wird mit sich und seine inneren Beziehungsmustern konfrontiert. Die mit Kindern zwangsläufig entstehenden neuen Beziehungserfahrungen provozieren die eingefahrenen Muster der Lebensbewältigung. In den Belastungssituationen werden oft unreife, kindliche Reaktionen aktiviert, auf die in ausgeglichenen Zeiten nicht zurückgegriffen werden muß. Dabei verstricken sich Väter (und Mütter) oft selbst in infantil anmutende Machtkämpfe, die weniger durch das Kind als durch die eigenen unbewußten Grenzen der Beziehungsgestaltung ausgelöst werden. 
Ein Beispiel aus der psychoanalytischen Praxis:
Ein Vater, der beruflich sehr angespannt und noch dazu im Augenblick wenig erfolgreich ist, fühlte sich müde und hatte an einem Morgen, es war ein Freitag, keine Lust aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Als er dann doch aufgestanden war, suchte er den kleinen Sohn dazu zu bewegen, sich für den Kindergarten anzuziehen und zum Frühstück zu kommen. Der Sohn saß in seinem Zimmer und spielte mit einer Eisenbahn. Er wollte sich nicht anziehen. Der Vater ermahnte ihn. Der Sohn reagierte nicht. Die Ermahnungen wurden schärfer und drohender. Der Sohn reagierte darauf mit einem Wutausbruch und schleuderte eine Schiene durch das Zimmer. Schließlich schaltete sich die Mutter ein, drohte ihrerseits Konsequenzen an und brachte den Sohn schließlich dazu, zum Frühstück zu kommen.
Von dem familiären Ablauf her wäre es dem Vater durchaus möglich gewesen, sich einige Minuten zu dem Kind zu setzen, mit ihm zu spielen und ihn dann zum Frühstück zu bewegen. Weder für den Vater noch für den Sohn gab es einen unmittelbaren Zeitdruck. Aber der Vater konnte es aus inneren Gründen nicht. Er mußte den Sohn heftig und uneinfühlsam ermahnen, weil er sich selbst so zur Disziplin zwingen muß , auch wenn er sich an diesem Tag der Arbeit lieber entzogen hätte. So, wie er den Sohn zwingen will, ist er auch früher von seinen eigenen Eltern gezwungen worden. Unter dem Druck der Widerständigkeit des Sohnes wurde sein eigenes kindliches Beziehungserleben aktiviert. Er gab den einst selbst erlebten Druck unreflektiert weiter. Deshalb eskalierte die eigentlich harmlose Situation mit einem altersentsprechenden Autonomiewunsch des Sohnes zum zähen Machtkampf.

Das Zusammensein mit einem Kind ist oft weniger eine Belastung durch die äußere Versorgungs- und Erziehungssituation, als vielmehr eine innere Auseinandersetzung mit der eigenen Elternrolle, die eigene kindliche Beziehungserfahrungen aktiviert. Beim Übergang zur Vaterschaft bestehen die inneren Anforderungen zum einen in der Fortentwicklung einer Paarbeziehung zu einer elterlichen Dreiecksbeziehung und zum anderen im Durcharbeiten des eigenen kindlichen Anteils, um die Elternerfahrung zum Wohle des Kindes erweitern zu können. 
Flucht in die Regression

Aus psychoanalytischer Erfahrung lassen sich zwei Fluchtbewegungen beschreiben, mit denen sich Väter der Spannung und dem Konflikt zwischen erwachsener Identität und infantiler Welt zu entziehen versuchen. Manche Väter regredieren in eine Überidentifikation mit dem Baby und verlieren dadurch vorübergehend den Kontakt zu ihrem Erwachsenen-Ich, während andere Väter in einer betont männlichen Überkompensation den Kontakt zur kindlich-spielerischen Welt zu meiden suchen.
Väter, die einseitig in die kindliche Welt regredieren, werden oft als sog. "Mappie" eine Kopie der Mutter. Kinderanalytiker berichten von ihren Erfahrungen mit Vätern, die ihre Rolle nicht einnehmen können. In Elterngesprächen scheint es, als gerieten die Väter mit den Babys in eine Rivalität um die Versorgung durch die Mutter. Sie werden eifersüchtig auf das Baby, weil sie im Zusammenleben mit ihrer Partnerin offenbar nicht nur reife Anteile, sondern auch Versorgungswünsche an ein mütterliches Objekt untergebracht haben, die jetzt nicht mehr wie bisher erfüllt werden.

Manche Männer wehren sich zunächst heftig gegen die Vorstellung, Vater zu werden. Nach der Geburt aber sind sie dann besonders unabgegrenzt und regredieren in frühkindliche Welten. In ihrer ursprünglichen Abwehr scheinen sie unbewußt um ihre Probleme mit der Vaterrolle gewußt zu haben. So sind manche Männer unbewußt an eine klammernde Beziehung zur eigenen Mutter gebunden. Sie konnten aus unterschiedlichen Gründen den Vater nicht ausreichend besetzen. Mit dem Wunsch, sein Baby zu meiden, "bis man halbwegs vernünftig mit ihm sprechen kann", wollte der erwähnte Vater der frühen Kindheit aus dem Weg gehen. Auf der Insel suchte er einen Platz für seine eigene regressive Seite. Er fürchtete offenbar, sie nicht mehr wie bisher ausleben zu können, wenn ein Baby mit seinen Bedürfnissen ihm diesen Platz streitig machen würde. Es ist ihm nicht gelungen, sich mit dem Vater zu identifizieren, weil er sich nicht von der präödipalen Mutter lösen konnte. Dadurch bleibt die Repräsentanz des Dritten schwach ausgeprägt. Er bleibt an eine defensiv-vermeidende Haltung gebunden.

Flucht in die Aktivität
Der zweite Fluchtweg neben der einseitigen Identifikation mit dem Baby ist die betont phallische Haltung und das aktive Vermeiden des prägenitalen Erlebens. Durch die Flucht in die äußere Realität, in den beruflichen Alltag und in eine narzißtische Haltung muß offenbar ein großer Sicherheitsabstand zum kindlichen Erleben hergestellt werden. Die Erfahrungen eines Kindes werden als "Kinderkram" abgetan und belächelt. Nur der betont männliche Auftritt und die damit verbundene Vorstellung von Unabhängigkeit zählt. Diese Fluchttendenz ist die sozial häufiger gewählte Haltung, wie sozialwissenschaftliche Studien belegen. In dieser Haltung muß die Nähe zur frühen, versorgenden Mutter abgewehrt und die Abgrenzung betont werden, weil die Gefahr der Inbesitznahme als zu groß erscheint. Diese Angst kann sich auch im Umgang mit einem Baby zeigen. Der Vater wird dann seine Vermeidung durch betont gesellschaftliche Aktivitäten ausagieren.

Manche Väter sind in problematischer Weise an ihre Mutter gebunden. Dadurch fehlt ihnen die Identifikation mit dem Vater, auf die sie im Umgang mit ihrer Partnerin und dem Baby zurückgreifen könnten. Manche Patienten vermeiden den Vater; andere sind mit einem beruflich engagierten, häufig abwesenden Vater identifiziert, der sie zu oft mit der Mutter alleine gelassen hat. Solchen Patienten fehlt oft das innere Bild eines Paares, einer libidinösen Verbindung von Mutter und Vater, von mütterlichen und väterlichen Anteilen. Sie können sich zwar über das Baby freuen, ein väterliches Selbstverständnis aber gelingt nur schwer. Der Vater ist eben nicht nur der Andere, der Kontrast zur Mutter, sondern er kann auch gemeinsam mit der Mutter eine Paarbeziehung repräsentieren, die dem Kind den Schritt von der mütterlichen Geborgenheit ins Leben erleichtert. Die beschriebene Abwehrhaltung findet man nicht nur bei psychotherapeutischen Patienten, sondern sie ist, wie auch die sozialwissenschaftlichen Befunde zeigen, als eine soziale Haltung weit verbreitet. Veränderungen in der ökonomischen Welt wie z.B. flexible Arbeitszeitmodelle für Väter werden für sich allein genommen sicher nicht die Scheu vor der frühkindlichen Welt lösen. Es müßte eine andere, angstfreiere Einstellung entstehen.

Ein wesentliches Merkmal der Identitätsbildung beim kleinen Jungen ist die Lösung aus der präödipalen Beziehung zur Mutter. Auch wenn das Kind den Vater schon wenige Monate nach der Geburt als eigenständiges Objekt erkennt, wie wir aus der neueren Forschung wissen, gibt es doch gute Gründe für die Annahme, dass er nicht von Geburt an eine gleichwertige Rolle wie die Mutter spielt. Durch die Schwangerschaft und durch die erste frühe Versorgung entsteht eine exklusive Bindung an die Mutter, die trotz aller Befunde um die Wahrnehmungsfähigkeit des Säuglings ihre Gültigkeit behält. 
Diese Dynamik ändert sich entschieden, wenn sich das Kind von der Mutter lösen will. Bei diesem Prozeß ist es für das Kind hilfreich, auf den Vater als Dritten setzen zu können. Insbesondere der Junge muß sich aus der präödipalen Beziehung zur Mutter lösen, um sich ihr später ödipal zuwenden zu können. Er braucht eine Distanzierung von der präödipalen Beziehung. Er muß sich von der Mutter desidentifizieren. Gelingt diese Distanzierung nicht oder nur unzureichend, so wird die Position der ödipalen Mutter ständig von dem inneren Bild der frühen versorgenden, mächtigen oder verschlingenden Mutter bedroht. Der Junge "kann kein Mann werden, wenn eine magische Zauberin ihn daran hindert" (Ogden 1995). Der Junge braucht also eine stabile ödipale Struktur, bei der ihm auch das "schützende Verbot des Vaters" hilft, um sich nicht zu sehr von regressiven Prozessen bedroht zu fühlen.

Der Vater wird sich in dem Ausmaß lustvoll an der Betreuung und dem Spiel mit seinem kleinen Kind beteiligen können, in dem er mit seinen eigenen frühkindlichen Anteilen spielen kann. Bei dieser Fähigkeit spielt die Beziehung zu seiner Mutter eine große Rolle, insbesondere die Identifikation mit ihrer versorgenden und pflegenden Seite. Die Identifikation kann zugelassen werden, wenn sie durch eine ödipale Struktur abgesichert ist. Dadurch kann der Vater - wie natürlich auch die Mutter - Erfahrungen machen, die ihn persönlich bereichern. Er kann einen neuen Zugang zur kindlichen Welt finden. Er kann Fantasie, spielerische Neugier und Entdeckungsfreude neu erleben; Eigenschaften, die im Erwachsenenleben oft entwertet und abgewehrt sind. Er kann die Welt auch mit kindlichen Augen sehen und er wird überrascht feststellen, daß diese Sichtweise sein bisheriges Weltbild vertieft und bereichert. Wenn die Identifikation allerdings zu groß und ungelöst ist, wird sich der Vater in der Dyade mit seinem Kind gefährdet fühlen. Er wird dann Probleme haben, die für das Kind notwendige Abgrenzung zu vertreten. Triangulierungsprozesse werden auch durch die Angst der Väterbehindert.

Für die Rolle des Vaters ergibt sich nicht nur eine, sondern viele Bedeutungen. Er bleibt immer der Mann im Leben des Kindes, in positiver wie auch in negativer Konnotation, und er kann diese Rolle mit vielfältigen Inhalten gestalten. Mutter und Vater können sich mit fordernden und gewährenden, aktiven und passiven Seiten abwechseln und ergänzen. Dadurch kann sich für das Kind von Geburt an ein dynamisches Wechselspiel aus Situationen, die es jeweils mit Mutter oder mit Vater erlebt, und aus Erfahrungen zu dritt entwickeln. Diese Dynamik begleitet es während seiner ganzen psychosexuellen Entwicklung. Im ersten Lebensjahr überwiegt der dyadische Modus, während sich später die Dynamik zwischen den Situationen zu zweit und zu dritt spezifischer entwickelt, bis sie sich in der ödipalen Situation von Begehren und Grenzsetzung verdichtet. In diesen verschiedenen Konstellationen kann der Vater eine differenzierte Haltung einnehmen, die sowohl fordernde und begrenzende wie auch zärtliche und haltende Elemente enthält. Das Kind kann dann einen Vater erleben, der das Kind versorgt und es zugleich in anderen Situationen fordert. Es kann einen zärtlichen und zugleich einen männlichen Vater erleben. Diese Offenheit würde für das Kind und für den Vater eine Bereicherung darstellen.

(Bei dem Text handelt es sich um eine gekürzte Fassung aus dem Buch: 
Frank Dammasch/Hans-Geert Metzger (Hrsg.):
Die Bedeutung des Vaters - Psychoanalytische Perspektiven. Frankfurt, Brandes und Apsel 2006)

Juli 2006

* Autor: Hans-Geert Metzger, Dr.phil, Diplom-Psychologe, niedergelassener Psychoanalytiker in Frankfurt am Main